BFSG: Barrierefrei kommunizieren im B2B-Alltag
Seit Juni 2025 ist einiges anders – zumindest für Endverbraucherinnen und Endverbraucher. Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) verpflichtet der Gesetzgeber erstmals zur digitalen Barrierefreiheit im B2C-Bereich. Eine gute Nachricht für viele – und ein wichtiges Signal in Richtung einer gerechteren, zugänglicheren digitalen Welt.
Doch was ist eigentlich mit unseren B2B-Kunden? Können wir uns entspannt zurücklehnen und abwarten? Die Antwort beginnt mit einem genaueren Blick auf das, was digitale Barrieren überhaupt bedeuten.
(Un-) Sichtbare digitale Kommunikation
Tatsächlich sind digitale Barrieren für Nichtbetroffene oft vollkommen unscheinbar. Und doch entscheiden sie darüber, wer teilhaben kann und wer außen vor bleibt.
- Eine Veranstaltungsseite ohne Bildbeschreibung.
- Ein PDF, das sich nicht vorlesen lässt.
- Ein Video ohne Untertitel.
Für viele Menschen sind das tägliche Ausschlussmomente. Dabei bestehen diese Hürden oft ganz ohne Absicht. Kommunikation beginnt lange bevor jemand liest, klickt oder konvertiert. Sie beginnt mit dem Gefühl, wirklich angesprochen zu sein – und mit der Frage: Komme ich hier überhaupt mit? Genau an diesem Punkt setzt das BFSG an, das Hürden wie diese gezielt verringern will.
Was regelt das BFSG – und wen betrifft es?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz überträgt eine EU-Richtlinie ins deutsche Recht und ist seit dem 28. Juni 2025 in Kraft. Das Gesetz verfolgt das Ziel, Produkte und Services für alle Menschen gleichberechtigt nutzbar zu machen – unabhängig von ihren möglichen Einschränkungen.
Aktuell gilt das BFSG ausschließlich für Angebote, die sich an Endverbraucher (B2C) richten, z. B.:
- E‑Commerce-Plattformen,
- Bank- und Zahlungsdienste,
- Ticketautomaten sowie
- digitale Kundenservices.
Angebote im B2B-Kontext sind zwar (noch) nicht betroffen, aber auch alles andere als außen vor. Denn viele Ausschreibungen, insbesondere im öffentlichen Sektor, setzen eine barrierefreie Kommunikation voraus. Förderprogramme knüpfen ebenfalls Bedingungen daran. Und spätestens bei der Markenpositionierung zeigt sich: Wer sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigt, zeigt nicht nur Weitblick, sondern auch Haltung.
Was das mit PR und Unternehmenskommunikation zu tun hat
Online zählt jede Formulierung, jede Gestaltung. Denn wer Inhalte nicht versteht oder bedienen kann, klickt einfach weiter. Ob Website, Pressebereich, LinkedIn-Kanal oder digitaler Geschäftsbericht – entscheidend ist nicht nur, was wir sagen, sondern wie zugänglich das Gesagte für andere ist. Dabei stellt sich eine zentrale Frage: Wer kann diese Inhalte eigentlich nutzen? Und wen schließen wir damit möglicherweise aus?
Barrierefreiheit ist folglich weit mehr als Technik. Sie beginnt bei Sprache, führt über Gestaltung und reicht bis zur Struktur. Und sie betrifft alle – ob CEO, Kundin oder potenzieller Bewerber. Sie ist kein Extra, sondern gehört zur Basis guter Kommunikationsarbeit. Und genau deshalb lohnt es sich, genauer hinzusehen – auch im Business-2-Business. Wie das konkret aussehen kann, zeigt ein Blick in den Kommunikationsalltag.
Barrierefreie Kommunikation in der Praxis: Kleine Stellschrauben mit Wirkung
Barrierefreie Kommunikation muss kein Großprojekt sein. Oft machen schon kleine, gut platzierte Anpassungen einen wirkungsvollen Unterschied. Hier ein paar konkrete Beispiele aus unserer PR-Praxis:
- Webseiten zugänglich gestalten, z. B. mit Tastatur und Screenreader bedienbar, mit klarer Struktur und logischer Überschriftenhierarchie
-> Hilft Menschen mit motorischen oder visuellen Einschränkungen – und verbessert die Orientierung für alle.
- Einfache, klare Sprache verwenden statt Fachjargon und Schachtelsätzen
-> Hilft Menschen mit kognitiven Einschränkungen, geringerer Lesekompetenz oder anderer Muttersprache.
- ALT-Texte und Bildbeschreibungen für Grafiken, Fotos oder Illustrationen bereitstellen
-> Sorgen dafür, dass Bilder auch dann wirken, wenn sie nicht gesehen werden können.
- Untertitel und Transkripte anbieten für Videos, Podcasts oder Interviews
-> Ermöglichen Zugang für gehörlose Menschen – und für alle, die lieber lesen oder gerade keinen Ton einschalten können.
- Barrierefreie PDFs erstellen, z. B. mit Tags, lesefreundlicher Struktur und klarer Reihenfolge
-> Machen Inhalte über Screenreader erfassbar – und lassen sich auch mit Tastatur leichter navigieren.
- Gute Lesbarkeit bei visuellen Inhalten sicherstellen, z. B. durch starke Kontraste, klare Schriftarten und reduzierte Layouts
-> Wichtig für Menschen mit Sehschwäche oder Farbenblindheit – und hilfreich für alle, die schnell Informationen erfassen möchten.
- Sprechende Linktexte formulieren, die den Inhalt benennen – statt „hier klicken“
-> Gibt Orientierung, vor allem für Nutzer von Screenreadern.
Kommunikation weiterdenken
Barrierefreiheit ist weder ein Trend noch irgendeine Zusatzaufgabe. Wenn Kommunikation Menschen erreichen soll, ganz egal ob Interessenten, Kunden, Bewerber oder Partner, gehört sie dazu. Dabei muss niemand alles auf einmal umstellen. Wer bewusst hinschaut, kleine Veränderungen anstößt und Bestehendes hinterfragt, ist schon mittendrin. Denn es geht nicht um mehr Aufwand – sondern um mehr Aufmerksamkeit.